Was ist eine Art?

"Halt! Das ist keine neue Art, sondern eine Unterart!" - "Falsch, eine Art!" - "Her damit, sie gehört zu den Unterarten!" - "Nein, nein und nochmals nein! - Cartoon: E. Werner
"Halt! Das ist keine neue Art, sondern eine Unterart!" - "Falsch, eine Art!" - "Her damit, sie gehört zu den Unterarten!" - "Nein, nein und nochmals nein! Es ist eine Art!"

Eine Art ist die Grundeinheit der Systematik, von der alle anderen taxonomischen Rangstufen abgeleitet werden. So weit, so gut.

 

Außerhalb der Fachwelt ist kaum jemandem klar, wie schwierig es ist, die Fragen "Was ist eine Art?" und "Wie viele Arten gibt es?" - konkret zum Beispiel: "Wie viele Sempervivum-Arten gibt es?" -  zu beantworten und - noch schwieriger - hier sogar unter den Fachleuten Einigkeit herzustellen.

 

Es gibt unterschiedliche Artkonzepte, die sich nach Ernst Mayr auf nur zwei Artkonzepte aufteilen lassen.*

 

Das typologische Artkonzept bzw. der typologische Artbegriff, mitunter auch  morphologisches Artkonzept genannt, geht ausschließlich von den Merkmalen im Erscheinungsbild von Lebewesen aus, von den phänotypischen Unterschieden, den Unterschieden also, die "ins Auge fallen". Im typologischen Artkonzept gilt eine Art als ein unveränderlicher Typus, der von anderen Arten durch seine Merkmale strikt getrennt ist. Viele Biologen sind schon vor vielen Jahrzehnten von diesem Artkonzept abgekommen und haben Anfang des 20. Jahrhunderts das biologische Artkonzept angenommen. In älteren Büchern und Klassifikationen sind aber immer noch Einteilungen nach dem typologischen Artkonzept wirksam. Auch heute wirkt es in das als nächstes dargestellte Artkonzept hinein...

 

Das biologische Artkonzept bzw. der biologische Artbegriff (biological species concept) geht davon aus, dass Arten aus vielen Populationen bestehen, die sich gemeinsam erfolgreich fortpflanzen können und in der Regel in den wesentlichen Merkmalen übereinstimmen. Doch deren Stellung als Art - oder anderer Rangstufe - wird laut dem biologischen Artbegriff nicht - mehr - durch das Ausmaß der Merkmalsunterschiede des Erscheinungsbildes bestimmt. So gibt es Populationen, die sich nicht kreuzen, obwohl sie kaum oder nur unmerklich zu unterscheiden sind (kryptische Arten, Geschwisterarten). Doch in ihrem Genbestand und ihrer ökologischen Einordnung unterscheiden sie sich - es ist eine recht strikte Fortpflanzungsbarriere vorhanden. Nach dem typologischen Artkonzept wären dies keine verschiedenen Arten, nach dem biologischen Artkonzept kann man sie als Arten sehen, denn sie können sich untereinander nicht erfolgreich fortpflanzen.

Das typologische Artkonzept wurde auch dadurch in Frage gestellt, dass es innerhalb vieler Arten Individuen gibt, die sich von Erscheinungsbild stark voneinander unterscheiden, sich aber trotzdem untereinander erfolgreich fortpflanzen, also eine Fortpflanzungsgemeinschaft bilden. Auch diese Erkenntnis führte zu dem biologischen Artbegriff und lässt den typologischen Artbegriff überholt erscheinen.

 

Heutzutage akzeptieren die meisten Biologen aus solchen Gründen den biologischen Artbegriff: "Eine Art ist eine Gruppe natürlicher Populationen, die sich untereinander kreuzen können und von anderen Gruppen reproduktiv isoliert sind" (Ernst Mayr)**. 

 

Oft wird die Definition einer Art noch ergänzt durch einen - wiederum typologischen bzw. morphologischen  - Passus wie "die in ihren wesentlichen Merkmalen übereinstimmen"**, bei der sich wiederum Fragen aufdrängen, die oft zur Streitfrage werden: Was sind denn nun die wesentlichen Unterschiede, die eine Art mitdefinieren?, und: Welche Unterschiede reichen nur für den Status einer Unterart? Weiter: Wie ist es dann mit Taxa, die einen strikten Isolationsmechnismus aufweisen, aber typologisch bzw. morphologisch  kaum zu unterscheiden sind?

 

 

All diese Unterschiede können zu unterschiedlichen Klassifikationen und Artenzahlen führen. Biologen ist es noch nicht gelungen, eine allen Disziplinen und Anschauungen gerecht werdende Artdefinition zu formulieren geschweige sich auf eine zu einigen,

 

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*Die Ausführungen der unten stehenden drei Abschnitte erfolgen oft in enger Anlehnung an Ernst Mayr "Das ist Evolution. München (Goldmann) 2005" und "Das ist Biologie. Heidelberg (Spektrum, Akad. Verl.) 2000"

**zitiert nach Ernst Mayr: Das ist Evolution. München (Goldmann) 2005: 207

***zitiert nach Rudolf Schubert, Günther Wagner: Botanisches Wörterbuch. Stuttgart (Verlag Eugen Ulmer) 2000: 104

 

 

Worterklärungen

 

typologisch von typos (= Urbild, typische Form) gemäß einer idealistischen Morphologie eingeordnet

phänotypisch nach der Summe der sichtbaren Merkmale, nach dem Erscheinungsbild

Populationen Fortpflanzungsgemeinschaft von Individuen, die einer Art zugehören, die sich somit mit anderen Populationen derselben kreuzen können

Genbestand Gesamt der Erbanlagen (Genom)

ökologische Einordnung funktionelle Einordnung in die belebte und unbelebte Umwelt

reproduktiv von der Fortpflanzung her

morphologisch von der äußeren Form bzw. Gestalt her

Isolationsmechanismus ein Evolutionsfaktor zur Einschränkung oder Verhinderung der sexuellen Fortpflanzung oder der Vermischung der Gene, bei dem übrigens geografische Isolation nur ein Grund von mehreren ist und nicht immer wirksam sein muss

 

Die Worterklärungen folgen zum Teil dem Buch "Rudolf Schubert, Günther Wagner: Botanisches Wörterbuch. Stuttgart (Verlag Eugen Ulmer) 2000"

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